Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1701.01.26
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/8
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herz allerliebester herr bruder 0002Ich trau mihr schier nit zue erscheinen mit meinen zeilen, 0003vnd wans möglich wehr, würden auch selbige sich schamroht 0004ferben, das ich so lang nit auf alle dero liebste schreiben 0005geantwort hab, werd mich aber könftig befleißen, 0006alles herein zu bringen vndt mich auf alle weiß zue 0007beßern. Iezt komme ich, deroselben zu vorderist zu danken 0008vohr die gutte wuntsch vnd gratulationeß zue mein 0009enikel, feirdag, new iahr vnd geburzdag, welches zwar iedes 0010ein besonders dankschreiben der schuldichkeit nach erfordert 0011hette, hoffe aber, dero Liebden werden mihrs vergeben vnd glauben, das 0012ichs mitt dem herzen vnzahlbarnuillemahl gedahn vnd 0013niks mehr wüntsch vnd verlang, als dero Liebden alle selbst 0014desiderirde glükhsehlichkeiten dis vnd noch vnd vnzalbar 0015volgende, mihr aber vill gelegenheit, dero Liebden mein trewes herz zue er-
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0016erweißen. Sage indgleichen schuldigsten dankh vohr als, was in 0017der großen materi so eifrich vnd wollmeinend einrahten, 0018vndt die nachrichten, so dero Liebden nach vnd nach überschikt, im gleichen für0019alle so gutte oferten, so dero Liebden darbey duen wollen, daruohr ihr Mayestät, 0020mein Keiser, vnd ich dero Liebden ewig obligirt bleiben werden, vndt 0021ihr Mayestät nit vnterlaßen, darauf absonderlige reflexion 0022zue machen wie auch alle notwendige anstalten zu 0023ein vnd andren, so vill die möglichkeit immer zu laßen 0024wirt, wie dero Liebden schon auch die nachricht haben werden. Der 0025Margrau ist hir ankommen, mit welchen man alles 0026einrichten wirt, welcher sich auch gahr eifrich bezeiget zu 0027ihr Mayestät dienst. Man arbeit fleißich, aber alles last sich nit 0028so geschwint ins werkh sezen. Das proiect, so dero Liebden schiken woll, 0029ist gahr gutt, was möglich ist, wirt man duen. Wegen Branden- 0030burg ist die sach einsdeils zwar etwas schwehr, aber man 0031wirt sehen, wie man auch mittel finden kann, den Deütschen Orden hirüber 0032zu contentiren, vndt werd ich ehstens mit dem Caniz darüber 0033ausfürlich reden. Es ist iezt der Rißenheim hier vom Deütsch- 0034meister, welcher die sach starkh dreibt. Ich bin hinter ihm 0035gewest wegen des Forstmeister, dah macht er 100 ausreden, 0036entlich ist er heraus kommen, er hab ein negotium 0037vohr, das er derzeit nit sagen könne, so in ein 5 monat 0038wurde heraus kommen, das er notwendig so lang müest 0039beim Deütschmeister bleiben, als dan wurd man sein trew
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0040vnd eifer vohr das erzhauß vndt vnser curhauß erkennen. 0041Hatt mihr vill dolirt wider bruder Carl, das er sich des Deütsch- 0042meister leütt brauche zue seinen amores vnd dardurch 0043der Deütschmeister im geschrei komme, als wehr ers. Der hab 0044darumb 2 lakey vnd ein gewißen Lunati abgedankht, dardurch 0045sei der Forstmeister so in vngnad bey bruder Carl kommen, vndt 0046dißer hab dise leüt ihm zue truz in sein dienst genommen, 0047welches entlich vnter denen 2 brüdern könte groste vnein- 0048inckeit vnd vnheil veruhrsachen. Als ich aber allen disen 0049seinen remonstrationen vnangesehen fast bey dem bliben, 0050das er ihr Mayestät, mein Keißer, den gehorsam zeigen solle, weilen 0051ihr Mayestät disen menschen absolute nit in Schlesien leiden wolle, das, 0052wan er ihn auch der so großen negotien halber, welche woll 0053gahr wichtig werden sein müeßen, weil er gahr nit so vill 0054confidenz zu mein Keiser vnd mihr hatt, solches zu eröfnen, 0055nit gahr aus denen diensten erlaßen wolle, gleichwollen vnter 0056einigen pretext ihn von Schlesien entfernen vndt gleich wollen 0057ins Reich oder woh er hin wolle verschiken möge. Darauf hatt 0058er mihr dises beyligende überschikt, dersider aber noch 0059zu keiner audienz sich angemeldt vnd hab ich weiters 0060niks von ihm gehört. Werd auch die sach suchen zu verschiben, 0061biß ich antwort von dero Liebden bekomme, waß sie hirüber 0062vermeinen. Die heiraht mit bruder Carl wirt niks drauß
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0063mitt bruder carl wirt niks draus, dan sie mit dem 0064gelt nit aufkommen können. Ehr hatt sein Obristleitnand, 0065den Tirheim, her geschikt, der bey mein Beichtuatter angebracht 0066hatt, das man ihm eine von Liechtenstein anbiete, offeriren ihm 00671300000 vnd die herschafft Sternberg in Schleßien, so auch 300000 0068wert ist. Wegen des ersten bin ich recht froh, das niks draus ist 0069worden, weil einmahl die famille nit vnsern curhaus 0070gemeß, vndt dieße leztere kunt ich einmahl gahr nit 0071ein rahten, dan die meisten cauaglieri hier im land 0072lauter vettern vndt bäßle wehren. Ich wehr der meinung, 0073man solle vmschawen vmb eine von guttem hauß, wan 0074sie auch gleich nit vill hatt, dan wan er nuhr ein wehnig 0075wurd wirtschafften wollen vndt nit so gahr splendide 0076hoffstatt halten, sondern sich streken nach der deken, könte 0077er mit deme, was er von denen polnischen güttren zieht, 0078was dero Liebden ihm geben vnd was er von ihr Mayestät, mein Keiser, 0079hatt, woll seinem standt gemeß mit einer gemahlin 0080leben. Dan was hilft vill gelt, wan er eine nimbt, 0081die vnsern cuhrhaus nit gemähß ist. Hirüber erwarte auch 0082dero Liebden intention. Was anbelangt ob mein sohn, der Konig, solle 0083ins feld gehen, auch der Carl, bede, einer oder keiner, darüber 0084deliberirt man noch starkh, seindt ville vhrsachen pro 0085vnd contra. Bede haben groß verlangen, weis noch
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0086nit, was resoluirt wirt werden, doch merkh ich woll, das 0087ihr Mayestät großer reflexion machen auf alles dasienige, was dero Liebden 0088überschriben haben. Ich hab auch ihr Mayestät gefragt, was dero Liebden zue ant- 0089worden auf dasienige, was das gouerno dero Liebden participirt, so 0090vermeinen ihr Mayestät, dero Liebden konten es machen, wie es ihr Mayestät gemacht 0091haben, nemblich dem gouerno nicht antworten, sondern nuhr 0092der Königin allein in terminis generalibus, wie sie dem 0093König in Frankhreich geschriben haben, welches schreiben ihr Mayestät über- 0094auß woll gefallen hatt. Ich mues hir wider mitt einer 0095großer abitt kommen meiner vngeschiklichkeit halber, dan 0096ich der Königin brief express apart gelegt, ihn dero Liebden zuruckh zu 0097schiken. Darnach vngefehr ist er mihr mit andern brifen in die 0098hendt kommen vndt ins feüer marschirt. Dero Liebden können versichert 0099sein, das ihr Mayestät vnd ich gern alles vohr sie duen werden, wann 0100mihr wüsten, was sie vohr demonstrationes verlanget. 0101Was nuhr immer möglich wirt sein, wirt alles geschen, 0102aber iezt begert sie woll ein sach, die nit in vnsren henden 0103steht, mein Keißer soll sie rechnen an den affront, den 0104ihr ihr Obristhoffmeister vnd Obristhoffmeistrin gedahn. Das wollt 0105ich gern sehn, wie mihr das können, wolte gott, die sachen wehren 0106in dem standt. Das hab ich ihr auch geschriben, hoff zwar 0107zu gott, es werd noch ein mahl dazu kommen, so 0108dan wirts nit vngeantet bleiben, vnd beuohrab der
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0109er, welcher alle sein glükh von mein Keiser vnd der Königin hatt, 0110aber straffen kan man ihn iezt nit, weil mihr ihn nit haben. Iezt 0111die nunnen vnd ihr Durchlaucht mama betreffendt, dero Liebden glauben, das ich 0112nit so närisch vnd mich in der sach übereilen werde. 0113Ich hab mihr auch woll eingelbilt, das weder der Bischoff 0114noch ihr Durchlaucht werden eingehen, das closter vnter die patres zu 0115laßen, darumb hab ichs geschen laßen, das sie geschriben, vmb 0116zu zeigen, das man alles duet was man kann. Sie habens platt 0117abgeschlagen, offeriren, man soll 2 hiesige nunnen mitt schiken 0118vndt 2 patres, die sollen das closter einrichten, können darnach 0119dort bleiben oder herin gehen. Das ist iah narrisch vndt geht 0120gahr nit ahn. Ich hab ihr, der Mutter Anna Magdalena, auch schon geschriben 0121vnd gesacht, das sie ihr kein gedanken soll machen, weder 0122auf Neüburg weder auf Höchstett zu kommen, so stelt sie0123sich an, als wolt sie närrisch werden, vndt könt ihrs 0124leicht geschen, drumb mues man ein wehnig gemach mit ihr 0125vmb gehen. Es ist kein gedanken, sie vnter den orden zu bringen, 0126dahtens nirgens vndt kuntens auch nit anemmen, weil 0127sie selbst durchauß nit will, auch ist hier nuhr einein- 0128zige plaz lehr, dah werd ich froh sein, wan ich die Alex- 0129andrina anbreng. Ich hab ein wehnig ein hoffnung, ich 0130mueß doch die wahrheit bekennen, die Allexandrina, 0131hoff ich, werd gutt duen, dan sie erkent ihren fähler, 0132besteht alles, verlangt bueß zu duen vndt ein rechte
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0133carmelittin abzue geben. Ich hab ihr das lezte mahl die er- 0134schrekligsten sachen gesacht, das, wan man sie auch würd auf 0135nemmen vndt sie bis zu der profeß nit dauglich er- 0136kent wurd, das sie alsdan wider zun vrsolinen mus, wan sie 0137auch profes wehr vnd sich im geringsten übel verhalten werd, 0138das ich die erste werd sein, die sie werd laßen in ein schwer 0139gefenknus werfen. Sie ist mitt allen zu friden, sacht, sie will 0140gern alles ausstehen, wan sie nuhr hier aufgenommen wirt. 0141So hoff ich, dise sehl werden mihr gewinnen, das sie sich recht 0142schaffen bekeren wirt, die ander aber bleibt stettich, sie 0143sey in allen vnschuldich, man due ihr vnrecht, vndt ist 0144recht wie disperat. Ich weis einmahl kein anders mittel, 0145als sie nach Cöllen zu bringen, sie haben nuhr 2 ausreden, 0146das ein, das die zahl voll ist, das ander, das sie arm 0147sein. Das erste mues man sagen, es sey entlich nit auf alzeit, 0148sollens nuhr auf etlige iahr anemmen, vndt das kan 0149ihnen auch woll ihr ordinarius, der Curfürst von Cöllen, 0150befehlen. Wan sie es mit guten nit duen wolten, so können dero Liebden 0151schon beim Curfürsten vnd Nunti machen, das man es ihnen 0152befilt, das sies müesten nemmen. Das ander anlanget, 0153mueß der Bischoff schon so vill her geben iährlich, das 0154das closter nitt allein keinen schaden von ihr hatt, sondern noch 0155etwas darbey gewint, so werdens sies schon nemmen. 0156Im übrigen halt sie sich hier woll, das man ihr von hir
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0157alle zeüchnus des wolluerhaltens geben kan. Ich mein aber, 0158man soll die patres nit mer drein mischen, dan eben des- 0159wegen werdens die nunnen nit wollen duen, dan sie den 0160patres feindt sein vndt niks von ihnen hören mögen. Ich hab 0161ihr sagen laßen, sie soll ihr Durchlaucht mama schreiben, das sie iezt 0162einmahl nit reisen könne wegen des üblen wetters, vnd 0163darnach nach vnd nach ihr Durchlaucht persuadiren, das sies nit 0164mehr dorthin will, aber alles kombt hüpsch auf mich. 0165Ihr Durchlaucht schreiben mihr vndt wollen auf alle weis, ich soll sie 0166hinauf schiken, sagen, dero Liebden wehren schon mit allem zuefriden, es 0167lig nuhr an mihr, so mues ichs alls allein dragen, das 0168kombt mihr auch hart. Wan dero Liebden nuhr machen, das ihr 0169Durchlaucht nach Düßeldorf kommen, so wirts schon gehn, aber 0170dah gibts, hör ich, auch dificulteten, die ich mich nit hett 0171eingebilt. Ich hab deswegen dem Wißer schreiben laßen, ich 0172mein, die wehren leicht vndt auch gahr billich zu heben. 0173Das ihr Durchlaucht solten hirher kommen, wehr iah iezt gahr 0174nit rahtsamb, weil die nunen hier sein, wehren iah 0175comedien erger als zuefohr. Ihr Durchlaucht schreiben mihr aber 0176auch ganz niks daruon, sondren das, wan sie nit nach 0177Düßeldorf geh (welches woll notwendig vnd das einzige 0178mittel ist), so wollen sie ins Norgaw vnd so herumb 0179reißen. Ich hoff, die difficultet werd gehoben werden, dan sunst
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0180kunten ihr Durchlaucht nit hinunter, vndt kundt ichs auch nit anders 0181als wideraten. So dan, wan einer von mein brudren, Carl 0182oder Deütsch Meister, hin geht, wirt er ewer Durchlaucht leicht persua- 0183dirn, hinunter mitt ihm zu gehen, er mues aber mit ihr, sonst 0184wirt sie alleweil ein ausred über die ander nemmen. 0185Dises alls stelle dero Liebden höchsten prudens anheim, vnd werden dero Liebden 0186so dan auch sehn, was sie noch mitt der fondation wollen 0187machen, wan sies nit vohr dinlich halten werden, sie ihr Durchlaucht 0188beßer in gegenhwart persuadiren können, due mich mit disen 0189ganz dero Liebden heimstellen, wie sie es werden vohr gutt finden, so wirt es 0190von mihr aprobirt bleiben. Freüt mich, das dero Liebden den Fratislah 0191capabel finden, ich hoff, er werd auch dero Liebden dienen können, ob er 0192aber mitt Holand vnd Engeland vill richten wirt, steht 0193dahin. Ich traw ihnen nie niks gutts zu, ihr Mayestät schiken auch den 0194Schlikh an Cur Beyrn, der wirt sich auch bey dero Liebden anmelden 0195vnd confidenter mitt ihnen alles abreden. Entligen den Molar 0196vndt Lamberg betreffendt, so wirt auch hoffentlich iezt 0197balt ein gutte resolution kommen. Der Molar, mein ich, 0198wirt sich contentiren mit einer expectanz, bis ehr ein 0199wehnig beßer informirt wirt, dan er die zeit, wie er 0200selbsten bekent, die camer wehnig frequentirt hatt, 0201wirt sich aber izt deßen beßer befleißen, vnd das 0202man izt keinen macht, so nit das ander auch gericht.
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0203Es hatt sich gestekt, weil mihr den einen bewusten nit haben konnen 0204wekh brengen, als izt vohr wehnig dagen ist er gottlob 0205einmahl fort. Iezt hoff ich, dero Liebden balt alles zu schiken. 0206Bitt, dero Liebden wollen sich nit entschuldigen, das nit eigenhendig 0207etlich mahl geschriben haben, bitt mitt mihr kein cerimoni 0208zu machen, weis woll, das dero Liebden nit erkleken künen. Wegen des 0209Aron Beer, hoff ich, sey die sach gericht. Wegen deß Lede- 0210nburg, glaub ich, sein dero Liebden nit woll informirt, sonst 0211wurden sie den cammerschlüßel nit vohr ihn begern, er 0212ist gahr von schlechter nascita vnd hatt des Tekeli 0213sein schwester zum weib. Die Perlips sizt noch zu 0214Baden, will dort warten bis brif aus Schpanien kommen. 0215Mues enden, hab so dero Liebden zu lang aufgehalten. Bitt, 0216mich bey der Curfürstin zu entschuldigen, hab ünmüglich 0217mehr zeit, mitt nechsten wirts gewiß geschen. Due 0218mich ihr ins herz befehlen, lebe vnd sterbe 0219dero Liebden 0220getrewste schwester 0221Eleonora 0222Wien den 26ten januarij 1701 0223Dero Liebden in hösten vertrawen, werden woll duen, den Pater Wolf 0224in kein negotium, was es sey, in sonderheit wegen Lamberg zu 0225brauchen, der gutte man verderbt offt mehr als er 0226gutt macht aus lauter gutten willen.
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0227sambt einer beylag