Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg
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Als viertes Kind von Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg und seiner Frau Elisabeth Amalie in Düsseldorf geboren, wurde der Erbprinz dort von Jesuiten erzogen. Das Ende seiner standesgemäßen Ausbildung bildete eine Kavalierstour, die ihn von Ende 1674 bis Frühjahr 1677 nach Den Haag, Antwerpen, Paris, London, Turin, Rom, Neapel, Venedig und Wien führte. Im Dezember 1676 wohnte er gemeinsam mit seinen Eltern der Hochzeit seiner älteren Schwester Eleonora Magdalena Theresia in Passau bei.
Schon seit dem Sommer 1676 wünschte man in Düsseldorf die Verehelichung Johann Wilhelms mit Erzherzogin Maria Anna (1654–1689), der jüngsten Halbschwester des Kaisers. Der junge Herzog hatte sie wohl bei seinem Besuch in Wien im Frühjahr 1676 kennengelernt. Seit ihrer Ankunft in Wien im Januar 1677 war Kaiserin Eleonora Magdalena in diese Bemühungen involviert, die schließlich zum Erfolg führten: Im Frühsommer 1678 reiste Johann Wilhelm gemeinsam mit seinen Eltern aus Anlass der ersten Niederkunft der Kaiserin nach Wien. Dort fand im September 1678 die Verlobung mit Erzherzogin Maria Anna statt; gefolgt von der Hochzeit im Oktober des gleichen Jahres in Wiener Neustadt.
So wie schon sein Vater im Anschluss an die Eheschließung mit eigenen Regierungsaufgaben betraut worden war, so wurde dies auch für Johann Wilhelm vorbereitet: Mit Anfang August 1679 übergab ihm Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg die Regentschaft in den Herzogtümern Jülich und Berg; wenig später erkannte Kaiser Leopold I. den 1666 mit Brandenburg-Preußen ausgehandelten Teilungsvertrag an. Johann Wilhelms erste Jahre in Düsseldorf zeigten verschiedene Bemühungen um Steuerreformen und die Vereinfachung der Rechtsprechung. Vor allem aber entwickelte sich ein lebhaftes Musikleben um den Hof in Düsseldorf: Johann Wilhelm war sehr musikinteressiert, spielte selbst Cembalo und Clavichord und richtete umgehend eine Hofkapelle ein. Für die zahlreichen Opernaufführungen wurde später auch ein 1696 eröffnetes Opernhaus in Düsseldorf errichtet.
Die harmonische Ehe mit Erzherzogin Maria Anna blieb trotz mehrerer Schwangerschaften der Kurprinzessin kinderlos; sie starb schließlich im Frühjahr 1689 während eines Aufenthaltes in Wien, der eigentlich der Stärkung ihrer angegriffenen Gesundheit dienen sollte. Schon kurz nach ihrem Tod schmiedete Kurfürst Philipp Wilhelm neue Ehepläne für den Erbprinzen, wobei man schnell eine Eheschließung mit Anna Maria Luisa de‘ Medici (1667–1743) präferierte, der einzigen Tochter des Großherzogs von Toskana. Wenige Wochen nach dem Tod seines Vaters nahm Kurfürst Johann Wilhelm dazu im November 1690 Kontakt mit dem Großherzog auf; unterstützt nicht zuletzt durch den florentinischen Gesandten in Wien. Die Ehe wurde dann im April 1691 per procurationem in Florenz geschlossen; im Sommer des Jahres traf die Kurfürstin in Düsseldorf ein.
Infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges, der seit 1688 im gesamten Oberrheingebiet große Verwüstungen nach sich zog, regierte Johann Wilhelm auch nach dem Tod seines Vaters im Wesentlichen von Düsseldorf aus seine Territorien. Die Eheschließungen seiner Schwestern und die Ämter seiner Brüder ebenso wie seine zweite Ehe banden ihn in europäische dynastische Netzwerke ein, die er politisch zu nutzen versuchte. Zugleich setzte er sie ein, um vor allem die geistliche Karriere seines Bruders Franz Ludwig (1664–1732) zu unterstützen und die permanenten Geldsorgen seines Bruders Karl Philipp (1661–1742) zu reduzieren. In beiden Fragen korrespondierte er intensiv mit seiner kaiserlichen Schwester in Wien.
Dabei ging es ihm zweifellos – der Zeit entsprechend – um die eigene Größe, den Ruhm des Hauses und die Sicherung bzw. Vergrößerung der eigenen Territorien. Als Unterstützer der katholischen Kirche und des Kaiserhauses folgte er dabei Grundsätzen, die ihm sein Vater in einer ausführlichen Instruktion ans Herz gelegt hatte. Johann Wilhelms dauerhafte Verbindung zu seiner Schwester, Kaiserin Eleonora Magdalena, verstärkte diese Position zweifellos. Im ausgehenden 17. Jahrhundert darf der Kurfürst von der Pfalz als einer der Protagonisten eines „Reichspatriotismus“ gelten, der im Kaiser eine Integrationsfigur für die gemeinsame Abwehr französischer Expansionspläne sah.
Das hinderte ihn nicht daran, im Sinne seiner persönlichen „Gloire“ waghalsige politische Projekte zu verfolgen wie das der Übernahme der Statthalterschaft in den Spanischen Niederlanden (die schon sei Vater für ihn mehrfach vergeblich angestrebt hatte), die ihm allerdings von Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern (1662–1726) erfolgreich streitig gemacht wurde. Auf den ersten Blick noch ungewöhnlicher war sein Bestreben in den Jahren 1698 bis 1701, die Krone eines Königs von Armenien zu erlangen. Vor dem Hintergrund, dass auch alle anderen weltlichen Kurfürsten in dieser Zeit nach königlichem Rang strebten, mutet sein Plan allerdings weniger ungewöhnlich an: 1697 war der Kurfürst von Sachsen zum König von Polen gewählt worden, 1700 krönte sich der Kurfürst von Brandenburg zum König in Preußen, und 1701 sollte der Kurfürst von Hannover, dessen Vater erst 1692 gegen den Widerstand Johann Wilhelms die Kurwürde erlangt hatte, eine Anwartschaft auf das britische Erbe erhalten, während der Kurfürst von Bayern wie gesagt nach den Spanischen Niederlanden strebte. Der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges beendete dann freilich Johann Wilhelms königliche Pläne.
Vielmehr konzentrierte er nun als Verbündeter des Kaiserhauses seine Aktivitäten auf das Heilige Römische Reich. Johann Wilhelm von der Pfalz war beispielsweise 1701 aktiv in das Zustandekommen der Allianz zwischen Kaiser Leopold I. und den Seemächten England und den Generalstaaten involviert. Zudem bemühte er sich – freilich erfolglos –, den wittelsbachischen Kurfürsten Joseph Clemens von Köln (1671–1723) (einen jüngeren Bruder Max Emanuels von Bayern) auf der kaiserlichen Seite zu halten. Längere Aufenthalte in Wien in den Jahren 1698, 1700 und 1704 zeigen Johann Wilhelm von der Pfalz auch in direktem Kontakt mit dem Kaiserpaar in dieser politisch höchst angespannten Zeit.
Als Unterstützer der habsburgischen Seite gelang es Johann Wilhelm 1708, nach der Niederlage Kurbayerns, die Oberpfalz und zugleich die „ältere“ Kurwürde der bayerischen Wittelsbacher an sich zu bringen. 1711 fungierte er als Reichsvikar in der Zeit zwischen dem Tod seines Neffen Kaiser Joseph I. (1678– 1711) und der Wahl seines anderen Neffen, Kaiser Karl VI. (1685–1740), und erreichte damit wohl einen Höhepunkt seiner reichspolitischen Bedeutung. Infolge des Friedens von Rastatt 1714, der den Erbfolgekrieg beendete, musste der Kurfürst allerdings auf die territorialen Zugewinne ebenso wie auf die bayerische Kurwürde wieder verzichten, was zweifellos ein großer persönlicher wie politischer Rückschlag war. De facto gab Wien den pfälzischen Verbündeten preis zugunsten eines Friedens mit Frankreich und des Ausgleichs mit Bayern.
Die Briefe von Kaiserin bzw. Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena an ihren Bruder zeigen, wie intensiv man in Wien in dieser Zeit auf seine Unterstützung zählte. Dies galt auch in den komplizierten Verhandlungen im Vorfeld der Eheschließungen seiner beiden kaiserlichen Neffen Joseph I. und Karl VI. Dies galt aber insbesondere für militärische Unterstützung auf verschiedenen Kriegsschauplätzen und bei Entscheidungsfindungen im Reich und in den Reichskreisen. Und sie zeigen die Argumentation der kaiserlichen Seite im Kontext des Friedensschlusses von 1714 ebenso wie das doch eher widerstrebende Eingehen des Kurfürsten auf die damit für ihn verbundenen Zumutungen.
Rückschläge musste Johann Wilhelm auch in konfessionspolitischer Hinsicht einstecken: Zunächst konnte er die Friedensverhandlungen in Rijswijk 1697 nutzen, um in der noch immer calvinistisch geprägten Kurpfalz das katholische Bekenntnis zu stärken und auszudehnen. Die sogenannte Rjiswijker Klausel stellte die (oft auf Betreiben des Kurfürsten) neu entstandenen katholischen Gemeinden dort unter Schutz und provozierte damit Konflikte mit der reformierten Bevölkerung. 1698 erließ Kurfürst Johann Wilhelm dazu noch ein Simultaneum, welches Katholiken und Lutheranern die Mitnutzung reformierter Kirchen zugestand. Nach Beschwerden reformierter Untertanen und Amtsträger bei Kaiser Leopold I., die dieser entsprechend den Festlegungen des Westfälischen Friedens unterstützte, musste der Kurfürst aber 1705 antiprotestantische Maßnahmen zurücknehmen.
Anfang 1712 erlitt Johann Wilhelm einen leichten Schlaganfall, dem offenbar weitere folgten. Seitdem kränkelnd, ist der Kurfürst im Juni 1716 in Düsseldorf verstorben. Auch die zweite Ehe, die von gutem Einvernehmen der Eheleute und deren gemeinsamen künstlerischen Interessen geprägt war, blieb kinderlos. Deshalb war es am Ende sein jüngerer Bruder Karl Philipp, der Johann Wilhelms Nachfolge als Kurfürst antrat. Im Unterschied zu ihm war Karl Philipps Regierung allerdings bald von einem Ausgleich mit den bayrischen Wittelsbachern und einer politischen Annäherung an Frankreich geprägt.
Ungeachtet seiner durchaus ehrgeizigen politischen Pläne und seines politisch-militärischen Engagements auf den Schlachtfeldern seiner Zeit wird Kurfürst Johann Wilhelm bis heute nicht nur am Niederrhein als Fürst erinnert, der sich als Bauherr, Musikliebhaber und Kunstmäzen um die repräsentative Ausgestaltung seiner Residenzen und die symbolische Kommunikation seiner Herrschaft bemühte. Dazu gehört der Ausbau von Düsseldorf als Residenz ebenso wie die Errichtung des Schlosses Benrath (1705 bis 1710), dessen Bildprogramm auch die Verbindung zum Kaiserhaus intensiv thematisiert. Zwischen 1710 und 1716 erfolgte die Errichtung eines Galeriegebäudes in Düsseldorf, denn Kurfürst Johann Wilhelm verfügte über eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen im Heiligen Römischen Reich, die später nach München überführt wurde und heute Teil der Bestände der Alten Pinakothek ist. Umfang und Ausstattung der Hofhaltung in Düsseldorf waren Ausweis der „königlichen“ Ambitionen des Kurfürsten – das zeigen nicht zuletzt etliche Ausstellungskataloge, die seinen Sammlungen und Bauten gewidmet sind.
Literatur:
https://www.deutsche-biographie.de/sfz57250.html#indexcontent
Baumgärtel, Bettina (Hg.): Himmlisch, herrlich, höfisch. Peter Paul Rubens, Johann Wilhelm von der Pfalz und Anna Maria Luisa de' Medici (Ausstellungskatalog), Leipzig: Seemann 2008.
Baumstark, Reinhold (Hg.): Kurfürst Johann Wilhelms Bilder, Bd. 1: Sammler und Mäzen, Bd. 2: Galerien und Kabinette, München: Hirmer 2009.
Kohnle, Armin: Von der Rijswijker Klausel zur Religionsdeklaration von 1705. Religion und Politik in der Kurpfalz um die Wende zum 18. Jahrhundert. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 62 (2010), S. 155-174.
Kühn-Steinhausen, Hermine: Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg (1658-1716), Düsseldorf 1958.
Müller, Klaus: Kurfürst Johann Wilhelm als rheinischer Reichsfürst. In: Benedikt Mauer (Hg.): Barocke Herrschaft am Rhein um 1700. Kurfürst Johann Wilhelm II. und seine Zeit. Düsseldorf: Droste 2009, S. 17-36.
Press, Volker: Zwischen Versailles und Wien: die Pfälzer Kurfürsten in der deutschen Geschichte der Barockzeit. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 130 (NF 91) (1982), S. 207-262.
Schnettger, Matthias: Kurpfalz und der Kaiser im 18. Jahrhundert. Dynastisches Interesse, Reichs- und Machtpolitik zwischen Düsseldorf / Heidelberg / Mannheim und Wien. In: Harm Klueting und Wolfgang Schmale (Hg.): Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander (Historia profana et ecclesiastica, 10), München: Aschendorff 2004, S. 67–95.
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